Ein historischer Tag
„Erst mal
anstoßen“, so dachte ich, um das Geschehen zu verarbeiten. Nein, verarbeiten
war da nicht. Es war mehr anstoßen auf die Freiheit, welche wir doch nur durch
erzählen kannten. Also doch ein Bier – und wieder eins und …. Das taten ja
viele.
Welche Worte
sprach Günter Schabowski? „Privatreisen nach dem Ausland können beantragt
werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Die zuständigen
Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind
angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass
dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen
müssen. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangs-Stellen der DDR zur
BRD bzw. zu West-Berlin erfolgen.“ Auf die Frage, ab wann dieses Gültigkeit
hat, sagte Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort,
unverzüglich.“ Ein Schlag für die damalige SED- Regierung. Ein Bier tat es
jedoch auch.
Ich möchte hier
keine Geschichte erzählen, weil diese doch bekannt ist. Aber darauf hinweisen,
wie meine Gedanken kreiselten bei den damaligen Ereignissen. Da gab es schon
viel zum anstoßen. Vor allem kamen dann die vielen Sorten Bier in unsere Läden.
Erst musste mal die richtige Sorte gefunden werden und dann….
Damals in der
Wendezeit hatte ich noch meinen Beruf als Schlosser. Da sah ich auch die Züge,
welche von Prag über Dresden, Karl- Marx- Stadt (heute Chemnitz) und Plauen
nach Hof fuhren. Die Reissenden winkten aus den Zügen und ich winkte zurück –
nicht wissend, das dass verboten war. Woher auch? Beim Bier hat man es nicht
erfahren. Oder hatte ich es nur nicht aus Gesprächen aufgenommen? Wer weiß das
heute noch.
Mein Alkoholkonsum
stieg seit dieser Zeit langsam nach oben. Die Freude, Reisen zu können, wohin
man wollte war zu groß und die 100 DM Begrüßungsgeld habe ich mir auch in Hof
geholt. Ich freute mich genau so wie alle in der damaligen DDR darüber. Da Bier
bekam mir gut und der Schnaps, der ab und an dazu kam wurde langsam immer mehr.
Meine Arbeit verlor ich 1993. Die Arbeitsfreie Zeit hatte ich genutzt, um
meinen Alkoholkonsum zu reduzieren. Langsam aber gewiss hatte ich schon den
Gedanken, dass ich abhängig war.
Das durfte nicht
sein, wollte wieder eine Arbeit suchen und das Saufen endgültig sein lassen. Na
ja, wie das eben so ist im Leben. Man nimmt sich etwas vor und verschiebt es
dann immer weiter vor sich her oder lies es ganz fallen. Doch Arbeit hatte ich
wieder gefunden und wurde zwei Monate später wegen gutem Promillestand (was
nicht in der Kündigung stand) entlassen. So entschied ich mich dann endgültig
für eine Entgiftung – welche nicht die Letzte war. Erst nach der Zweiten ging
es endlich bergauf und ich bin heute noch trocken. Im Januar 2015 werden es 21
Jahre. Bereut? Nein, das ist nie mein Gedanke. Wenn andere trinken, sollen sie
– aber in maßen. Und ich – ich sauf mit, Selterwasser. Prost!
Meine Gedanken
Letztes Jahr feierte ich meinen 65. Geburtstag - also der
Eintritt ins Rentenalter. Ich hatte mir das alles schön ausgemahlt, so mit
einer familiären Feierlichkeit im kleinsten Kreis. Ja, das war schön geplant
und durchdacht – auch mit dem Gedanken, dass ich nichts Alkoholisches trinken
werde und trinken will. Es ist schon so eine Sache – andere trinken zu Jubiläen
oder Festlichkeiten – nur ich darf nicht. Was heißt: nicht dürfen. Das darfich schon, nur mit dem Risiko, rückfällig zu werden und so haben manche
trockene Alkis auch gedacht. Sie schlugen die guten Vorsätze in den Wind,
tranken ein, zwei Glas Alkohol zum anstoßen mit und waren da, wo sie schon mal
waren. Ist das der wahre Sinn für den Entzug. Will man nur mal probieren, wie
es ist, frei vom Alkohol zu sein um dann wieder das ganze neu zu erleben? Von
einem auf den Anderen Tag Saufen und wieder das Geld zählen zu müssen – „reichts
noch?“ Ich denke, dass es sinnlos ist, weiter zu leben, wenn man nicht den
Willen hat, clean zu bleiben. Meine Überlegungen in letzter Zeit sind viele Mal
unterschiedlich zu dem Alkoholgenuss. Es gibt manche ehemalige oder noch
Trinker, die bekommen Druck und holen sich Bier. Manche Andere haben
Ärger oder sonstigen Stress und sind trotzdem dagegen, sich Bier zu holen – sie
spüren keinen Druck. Wie verteilt sich das alles?
Jene, die den Druck spüren sind garantiert auf dem Weg, sich
Alkohol zu besorgen oder besorgen zu lassen. Der Druck kommt aber nicht immer
von allein. Manches ist auch aus Gesprächen entstanden –sie sind kleinen
Streitigkeiten vorausgegangen. Oder sie „vergewaltigen“ den Gedanken, nichts zu
holen. Warum aber wird dadurch Druck erzeugt? Innerlicher Ärger, falsche
Gedankengänge? Liebe zu dem gewohnten Alltagsstress?
Die, die keinen Druck spüren und sich Alkohol holen – denen geht’s
besser. Bis sie aber den Alk haben, müssten sie doch auch Druck haben oder geht
es dabei schon um den Gedanken: „Ich gehe „tanken“ einkaufen“. Diese Person
wird sich ja schon innerlich und/oder sichtbar darüber freuen, endlich wieder
Alk aufnehmen zu können. Auch wenn es schon die erste Flasche am Getränkemarkt ist.
Wenn ich an mich selbst denke und die Gedanken mal dahin
lenke, wie es mir gehen würde, wenn ich Stress habe und mir mal…! Den Stress
habe ich auch und Ärger ist nicht auszuschließen – aber um Alkohol zu holen,
den Gedanken hatte ich schon. Doch ausgeführt habe ich ihn nicht. In der
Situation sage ich mir immer wieder:
Alkohol löst keine Probleme-
Alkohol macht sie.
Schon des Öfteren bin ich in den runden
20 Jahren vom Alkoholteufel „angesprochen“ wurden. „…probier doch mal“, „…eine Flasche am
Tag“ und so weiter. Nein! Niemals werde ich meinen Willen brechen, den ich mir
selbst gestellt habe. Dieser ist hier in der Homepage schon ein paar Mal
genannt. „Ich will keinen Trinker!“. Das ist für mich wichtig, denn ich möchte
Leben und das noch sehr lange!