Als ich am 21.01.1994 im Krankenhaus meiner 2.Entgiftung entgegen sah, bekam ich von einer Schwester die Worte: ´Ich mag keine Trinker´, zu hören. Das machte mich stutzig, denn diese Worte waren mir irgendwie einmal zu Ohren gekommen. Sie klangen wie Musik! Dazu kam, dass ich mir siegessicher war, mit den Worten endgültig vom Alkohol wegzukommen. Im Zimmer war keiner weiter und ich hatte zwei Tage Zeit, um diesen Satz ´Ich mag keine Trinker´ zu realisieren. ´Woher kenne ich die Worte! Wer hat sie einmal gesagt´ fragte ich mich immer wieder und überlegte. Am anderen Morgen, dieselbe Schwester brachte mir die Medizin und später Frühstück. Mir fielen die Worte wieder ein und grübelte weiter, wer es gewesen sein kann. Alles hatte ich durchdacht - Familie, Eltern, Verwandte, Freunde und Bekannte. Nicht ein klitzekleiner Tipp hatte mir geholfen und überlegte wieder. Während des Frühstücks ging ich zum Fenster, um es zu öffnen und setzte mich auf die Fensterbank, mit dem Rücken an den Rahmen gelehnt. Draußen war es frisch und ich sah hinunter. Auf der anderen Straßenseite stand ein LKW mit der Aufschrift ´Henning-Transporte´. Ein LKW mit Anhänger, welcher meine Aufmerksamkeit weckte. Den Kaffeetopf in der einen Hand und in der anderen das Brötchen. Gibt es denn keinen Anhaltspunkt? Nochmals durchdachte ich alles Mögliche, um vielleicht die Person zu finden, welcher es gesagt haben könnte. Immer wieder sah ich dabei zu dem LKW. Der Kaffeetopf war leer und holte mir noch den Rest Kaffee aus der Kanne, nahm noch ein Brötchen mit und wollte gerade zum Fenster zurück, da stellte ich den Topf fast zu hart auf den Tisch und rannte zum Fenster. Dabei viel das Brötchen aus dem Fenster, was mir egal war - die Aufschrift hatte es mir auf einmal angetan. Langsam, sehr langsam las ich noch einmal die Worte
- immer wiederholend ´H-e-n-n-i-n-g T-r-a-n-s-p-o-r-t-e´.
Was will diese Aufschrift mir sagen. Was hat dieser Schriftzug mit dem Alkohol zu tun? Das kribbeln im Bauch wurde immer stärker und die Hände zitterten ohnehin, da der Alkohol fehlte. Ich fror am ganzen Körper und konnte mich kaum bewegen. Nicht wegen der Kälte, welche herein kam - wegen der Worte und der Aufschrift. Wie erstarrt las ich immer wieder diesen Schriftzug. Was ist mit mir los? Langsam bekam ich eine leichte Gänsehaut - doch dann war auf einmal alles klar. Ja, nur das kann es sein. Wie aus heiterem Himmel schrie ich laut vor Freude: ´Magitta! ´ und heulte gleichzeitig. Sie war meine erste große Liebe und Verlobte. Sie hatte solche Worte gesagt, jedoch im anderen Sinn - ´Ich will keinen Trinker´. Weinend und mit zitternden Händen setzte ich mich auf das Bett. Die Schwester kam zufällig dazu und fragte, was los sei. Ich stand auf, ging zu ihr, fiel ihr um den Hals und sagte beruhigt: ´Danke! Ich weiß, ab heute trinke ich nie mehr Alkohol. Schon wegen Ihren Worten welche Sie gestern zu mir sagten´ und erzählte kurz, was gewesen war. Begeistert zwinkerte sie mir zu und meinte nur: ´Alles Gute! ´. Doch mit gleichem "Atemzug" entschuldigte sie sich wegen dem Ton, den sie dabei benutzte.
Es wird etwas komisch klingen, dass ich mir so sicher war, vom Alkohol weg zu kommen - doch hatte es mich so sehr bewegt, dass ich es mir geschworen habe.
Es war, als würde die Welt neu erblühen, neu entstehen - für mich jedenfalls. Alle Hoffnungen auf eine schöne Zukunft hatte ich jetzt vor mir und ich wollte diese nie aufgeben. Sie hatte damals immer Bedenken, doch den Grund dafür behalte ich für mich. Ihre Worte waren von jetzt vielem mehr an Gold wert und ich will sie unbedingt umsetzen, koste es, was es wolle. Etwa 25 Jahre brauchte ich dazu, um endlich diese Worte zu finden - ´zu begreifen´. Jetzt kann ich das in die Wahrheit umsetzen, was sie damals so ernst meinte und ich nicht beachtete. Lange grübelte ich noch über alles nach und sah sie gedanklich vor mir, als wolle sie sagen: ´Wird Zeit, dass Du es verstehst! ´. Ich lag auf meinem Bett und war eingeschlafen. Eine Schwester brachte mir die Medizin, welche ich mit Wasser nehmen sollte, doch das Glas wackelte zu sehr, dass ich beide Hände brauchte, um trinken zu können. ´Noch ein Grund mehr, aufzuhören´, dachte ich mir nebenbei und trank das Glas leer. Die Ärztin hatte zur Visite am Montag doch noch Fragen zu meinem Entschluss. ´Sie wollen mit aller Macht das durchsetzen, was Sie der Schwester erzählt haben und sich nur an diesen Satz halten? Da wünsche ich Ihnen wirklich Glück´ und sah mich zweifelnd aber auch etwas lächelnd an. Warum soll das nicht so sein? Wieso zweifelt sie? Weiß sie eigentlich, was wirklich dahinter steckt? Warum ich mich so in den Satz ´verliebt´ habe? Nichts weiß sie und ich halte durch, solange es geht. Wenn ich es nicht schaffe, das Vorhaben durchzusetzen, schreibe ich einhundert DIN-A 4 Seiten ´Ich will keinen Trinker´ mit Kugelschreiber. Da wird schon der Gedanke daran mithelfen, dass ich trocken bleib. Es war jedoch erst der dritte Tag für diesen Entschluss und konnte somit keine weiteren Feststellungen machen, dass es wirklich so bleibt, aber der Wille war da und das zählte. Zudem war ich auch noch unter Aufsicht hier im Krankenhaus.
Heute muss ich doch etwas über diese Zeilen lächeln. `Lang ist’s her! ´, doch leicht war es auch nicht. Manche Tage waren wie verrückt toll nach Alkohol - ich habe meinen Willen in Griff und durchgesetzt. Die Suchtkrankheit bleibt bestehen und ich werde immer dagegen angehen, dass es mich nicht wieder in den Sumpf der Süchte zieht. Doch auch die Zeit heilt eben viele Wunden.
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